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Fangen wir mit der guten Nachricht an: Du wirst sehr wahrscheinlich keine Probleme damit haben, ein Studium an einer Universität aufzunehmen. 2017 lag die Zahl der Studienanfängerinnen mit 50,8 Prozent sogar knapp über den männlichen Studienanfängern. Bei allen eingeschriebenen Studierenden hielten sich im Wintersemester 2015/16 Frauen mit 49,5 Prozent und Männer mit 50,5 Prozent die Waage.
Das gilt jedoch nur für Universitäten. Ein Blick auf die Fachhochschulen zeigt, dass Männer hier mit 57,9 Prozent in der Mehrzahl sind. Die Frage nach einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis hängt vor allem davon ab, welche Studienfächer man sich anschaut. Besonders in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) ist der Anteil der Frauen zwar inzwischen leicht steigend, aber weiterhin gering. 2016/17 lag der Anteil der weiblichen Studentinnen bei 28,4 Prozent.
Diese Verteilung hat auch Susanne Quiel erlebt. Sie ist 34 Jahre alt und inzwischen Projektleiterin in der IT-Abteilung eines börsennotierten deutschen Unternehmens. Nach ihrem Diplom in Psychologie absolvierte sie 2013 ihren Bachelor in Computational Informatics an der Technischen Universität Hamburg. „Wir waren ein relativ kleiner Studiengang von vielleicht 30 oder 35 Leuten und wir hatten so ungefähr ein Drittel Frauen. Das könnte natürlich auch noch mehr sein, aber das ist schon gar nicht so wenig, wie es in anderen technischen Bereichen der Fall ist.“
Unabhängig von einem Studium ist es nicht unwahrscheinlich, dass Du in Deinem Leben mit Diskriminierung zu tun hast. 9,2 Prozent aller Deutschen hat sich nach einem Bericht des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2017 in den letzten zwei Jahren aufgrund seiner Geschlechtsidentität Diskriminierungserfahrungen gemacht, Frauen betrifft dies fünfmal häufiger als Männer.
Bei Frauen kommt Diskriminierung im Vergleich zu allen anderen Lebensbereichen überproportional häufig im Beruf vor. 42 Prozent der Diskriminierungserfahrungen von betroffenen Frauen werden im Berufsleben gemacht. Diese Erfahrungen sind dabei vielschichtig, besonders häufig ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern – trotz gleicher Arbeit und Qualifikation. Im Jahr 2016 betrug die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Bruttoverdienst der Frauen (16,26 Euro) und dem der Männer (20,71 Euro) etwa 21 Prozent. Dieser sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap hat eine Vielzahl von Ursachen, unter anderem schließt er die Tatsache ein, dass Frauen sehr viel häufiger in Teilzeit arbeiten. Etwas weniger als diese materielle Benachteiligung kommen trotzdem weiterhin andere Formen der Diskriminierung hinzu. 17 Prozent der Betroffenen schildern Mobbing-Erfahrungen aufgrund ihres Geschlechtes, eine andere Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ergab, dass 17 Prozent aller weiblichen Beschäftigten bereits am Arbeitsplatz sexuell belästigt wurden.
Susanne Quiel hat bisher die Erfahrung gemacht, dass eine offene Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes seltener geworden ist. „Das ist glaube ich aber vor allem eine Frage der Unternehmenskultur. Wenn wir eine Führungskraft hätten, die eher konservativ ist und meint, dass Frauen eh nichts können und an den Herd gehören, dann habe ich in einer offenen und flexiblen Unternehmenskultur mehr Vertrauen, direkt zu sagen, dass es so nicht geht.“ Dazu gehöre auch die Sicherheit, dass man Unterstützung aus Führungspositionen bekommt. Susanne vermutet, dass offensichtliche Diskriminierungen besonders in Unternehmen nicht angesprochen werden, in denen die Geschäftsführung selbst Teil des Problems ist. „Da werden dann nur Leute besetzt, die wie die Chefs selber sind, also Männer Mitte 40.“
Ein Thema, mit dem Du Dich als Frau in Deinem Leben wahrscheinlich beschäftigen wirst, ist die Frage nach eigenen Kindern. Das gilt selbst dann, wenn Du schon längst entschieden hast, keine Kinder zu bekommen. Für einige Unternehmen wirkt bereits die Möglichkeit einer Schwangerschaft abschreckend. In der Befragung eines Meinungsforschungsinstituts gab ein Drittel der Frauen im Alter zwischen 24 und 35 Jahren an, dass sie im Bewerbungsgespräch direkt nach der Familienplanung gefragt wurden – nach dem Bundesarbeitsgesetz definitiv eine unzulässige Frage. Mit der Entscheidung, Kinder zu bekommen, änderten sich für 74 Prozent der Befragten die Umstände ihrer Arbeit. 56 Prozent gaben sogar an, dass sie Kinder generell als negativen Einfluss auf die Karriere empfinden.
Die Frage nach Kindern ist auch oftmals die Frage nach dem Lebensentwurf, den man mit oder ohne Partner leben möchte. Bei einem Zusammenleben mit möglichen Lebenspartnern kann Dir dieses Thema also ebenfalls begegnen. Für Susanne Quiel ist eine offene Kommunikation besonders wichtig: „Da müssen solche Themen einfach angesprochen werden. Wenn die Frau nicht zu Hause bleiben will, dann muss sie das offen ansprechen, denn in der Regel wird der Mann das nicht tun.“ Susannes Gefühl und den Erfahrungen aus ihrem Umfeld nach funktioniere diese offene Kommunikation heute bereits besser als früher, Männer hätten eher ein Interesse daran, diese Aufgaben zu teilen. „Ich habe eine Kollegin, die neulich in den Mutterschutz gegangen ist, die teilen sich die Elternzeit komplett auf.“
Susanne und ihr Mann haben das typische Rollenbild sogar umgedreht. „Relativ früh in unserer Beziehung haben wir darüber geredet, wir wollten beide Kinder und haben dann gesagt, dass wir uns einfach auf eine Karriere konzentrieren. Das war dann zufällig meine, weil ich nicht nur jünger bin, sondern auch mehr Abschlüsse habe.“ Als beide noch gesucht haben, hat Susanne Quiel dann auch vor ihrem Mann eine Stelle gefunden. Ihre Vereinbarung war dann für Susannes Job umzuziehen – Susannes Mann hat zunächst weiter nach einer Stelle geschaut, würde aber primär die Erziehungsarbeit übernehmen, sobald sie Kinder bekommen. „Genauso hat es dann auch funktioniert, ich bin nur sehr kurz zu Hause geblieben, nach der Geburt sechs Monate. Dann zwei Monate mit einer halben Stelle, um mich einzugewöhnen und als das Kind dann acht Monate alt war, war ich wieder Vollzeit im Job.“
Auch diese Flexibilität hänge aber mit der Unternehmenskultur zusammen: „Ich hatte den Vorteil, dass wir ein recht großer Konzern sind und einen relativ starken Fokus auf Themen wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben, nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer.“ Ein wichtiger Punkt sei auch die hohe Akzeptanz. In Susanne Quiels Abteilung gibt es viele Eltern, ihre damalige Chefin ist selbst Mutter von zwei Kindern und ihr Abteilungsleiter hat auch Kinder.
Diese Vereinbarkeit von Kind und Karriere ist jedoch nicht bei allen Arbeitgebern der Normalfall. Besonders in Bewerbungssituationen wirst Du eine Diskriminierung aufgrund Deines Geschlechtes aber häufig nicht nachweisen können „Im Bewerbungsbereich wird ja gar nichts offen kommuniziert, weil die alle Angst vor dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz haben.“ Nach Susannes Erfahrungen bekomme man anstelle einer Begründung häufig einfach gar keine Reaktion mehr. Sie hat ebenfalls das Gefühl, dass sie es in Bewerbungssituationen als Frau schwieriger hat. „Dieses Gefühl ist noch stärker geworden, seit das Kind da ist. Ich schreibe schon explizit in den Lebenslauf, dass das Kind Vollzeit von meinem Mann betreut wird und ich keine Kinderbetreuung mache.“ Trotzdem habe Susanne Quiel starke Probleme, überhaupt zu Gesprächen eingeladen zu werden, selbst bei Stellen, bei denen sie alle Anforderungen erfülle und es objektiv keinen Grund gebe, nicht zumindest mit ihr zu reden. „Man kann dann einfach nicht sagen, ob man diskriminiert wurde, oder ob man einfach Pech hatte, andere besser waren oder es der Nasenfaktor war, der nicht gepasst hat.“
Der familienbedingte Karriereknick ist jedoch nur ein Faktor, der dazu führt, dass in Deutschland 2017 nur rund 29 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt waren, unteres Drittel im Vergleich zu den anderen EU-Mitgliedsstaaten. Auch der Stereotyp für männliche, dominante Führungskräfte trägt dazu bei. Für Susanne Quiel war das einer der Momente, in denen sie über Geschlechterdiskriminierung nachgedacht hat: „Ich hatte gerade so ein Development Center, wo das eigene Potential in Richtung Führungskraft, Spezialist, Projektmanager oder Ähnliches bewertet wird.“ Dort habe Susanne Quiel vor allem zu hören bekommen, dass sie den Leuten besser zuhören müsse und besser deren Ideen einbeziehen sollte. „Ich habe in einer Aufgabe eben sehr stark dazu tendiert, den Prozess zu treiben und Vorschläge zu machen, damit wir zu einem Ergebnis kommen. Da hatte ich das Gefühl, dass mir das eher positiv ausgelegt worden wäre, wenn ich ein Mann gewesen wäre, weil ich für Ergebnisse gesorgt habe.“ Im Endergebnis wurde dann kommuniziert, dass man als Führungskraft anders reagieren müsse, nicht als Frau. Für Susanne Quiel bleibt aber das Gefühl, dass ihr Geschlecht direkt etwas mit dieser Einschätzung zu tun hat.
Die positiven Erfahrungen in ihrer Firma lassen Susanne Quiel allerdings positiv in die Zukunft schauen. In einer Diskussionsrunde zum Thema Frauen und Karriere habe sie schon Frauen erlebt, die desillusioniert waren und gesagt haben, dass das alles in ihrer Firma nicht funktioniere. Denen hat Susanne Quiel sehr klar gesagt: „Wenn das da so Scheiße ist, und die dir überhaupt nicht entgegenkommen, warum bleibst du dann da?“ Susanne glaubt, dass sich viele nicht trauen zu gehen, aus Angst um die Sicherheit in diesem Job. Sie würde in so einem Umfeld nicht bleiben. Wenn man klar sagen könne, wie man sich sein Leben vorstellt, dann müsse man einfach den Ort suchen, wo man das realisieren kann. Daran, dass es diese Orte gibt, besteht für Susanne Quiel kein Zweifel. Sie könne mit ihrer Arbeitsstelle ein Beispiel dafür bieten. „Das ist vielleicht noch nicht so verbreitet, wie es sein sollte, aber wenn man durch die Füße abstimmt und die Firmen, die das nicht mitmachen, dann einfach keine Leute mehr bekommen, dann werden auch die sich ändern müssen.“
Dieser Text wurde für Dich ausgewählt, weil Du angegeben hast, weiblich zu sein. Wenn Dich interessiert, was andere Menschen beschäftigt, kannst Du einfach den Test mit anderen Antworten wiederholen oder Dir unsere anderen Geschichten durchlesen:
Das Projekt Choose Your Own Future ist entstanden, weil wir uns damit auseinandergesetzt haben, wie bestimmte Merkmale das Leben vieler Menschen beeinflussen. Merkmale, an denen wir häufig wenig ändern können.
Es gibt viele Merkmale, die dazu führen können, dass Menschen diskriminiert werden. Wir können uns nicht mit allen davon auseinandersetzen, sondern mussten einige auswählen. Das heißt nicht, dass Eigenschaften, die hier nicht erwähnt werden, zu weniger Diskriminierung führen. Leid lässt sich nicht gegeneinander aufwiegen. Wir haben uns dafür entschieden, die Merkmale in folgender Reihenfolge abzufragen: Geschlecht > Bildungsgrad der Eltern > Sexuelle Orientierung > Migrationshintergrund. Sie könnten aber auch in jeder anderen Reihenfolge stehen.
Auch in unseren Texten mussten wir uns beschränken. Deswegen haben wir uns entschieden, nicht mehr als zwei statistische Merkmale in einem Text zusammenzufassen. Ein weibliches Arbeiterkind mit Migrationshintergrund wird also trotzdem nur bei dem Text über Arbeiterkinder mit Migrationshintergrund landen, der sich vor allem mit dem Migrationshintergrund beschäftigt.